INTERVIEW mit Dr. Holger Schettler
Die Stiftung Tri-Ergon Filmwerk hat sich der Sammlung, der Pflege und dem Erhalt von film-, kino- und tontechnischen Geräten sowie regionalhistorischem Film-, Ton- und Bildmaterial verschrieben. Durch die Aufarbeitung und Zugänglichmachung der historischen Materialien aus ihren Archiven möchte sie der nachfolgenden Generation Einblicke in technische und kulturhistorische Zusammenhänge ermöglichen. Ein Ziel, das Dr. Holger Schettler und seine beiden Kollegen Frank Bell und Michael Wiegert-Wegener auch mit der Ausstellung im Historischen Museum verfolgen.
Gab es so etwas wie eine Initialzündung für Ihre Kinoleidenschaft oder
einen Lieblingsfilm?
Nein, das Theater- und Filminteresse war einfach immer schon da und auch einen Lieblingsfi lm habe ich nicht. Aber als Junge hat mich im Fernsehen „Lohn der Angst“ in der Originalversion aus den 50ern gefesselt. Im Kino haben mich schon viele Filme begeistert und fasziniert. „Apocalypse Now“ gehört sicherlich dazu. Aber man verändert sich und entwickelt sich weiter.
Mit 15 fand ich zum Beispiel „Vier Fäuste für ein Halleluja“ toll (lacht). Den gucke ich aber lieber nicht noch mal, um die Erinnerung nicht zu zerstören. Andere Filme funktionieren heute wie damals, „Spiel mir das Lied vom Tod“ etwa oder eine Komödie wie „Is‘ was, Doc?“.
Wie ist die Idee zu der Ausstellung entstanden?
Wir sind alle drei bereits als Jugendliche gerne ins Kino gegangen und haben später als Vorführer in der Kamera gearbeitet. Früher haben wir immer rumgesponnen: Eigentlich müsste es für Kinos so etwas geben wie einen Guide Michelin für Restaurants. Denn wir haben uns oft über die Qualität der Vorführung geärgert, etwa wenn der Film während der Vorführung riss, der Vorführer aber nicht in der Kabine, sondern irgendwo in der Kneipe saß. Das wollten wir besser machen, das hat uns umgetrieben. Wir interessieren uns also sowieso für alles rund um Film und Kino und haben ja auch die Stiftung gegründet, weil uns das Thema am Herzen liegt. Die Idee zur Ausstellung haben wir schon lange, seit zwei, drei Jahren bereiten wir sie jetzt tatsächlich fleißig vor. Inhaltlich ist sie etwas Besonderes, weil es zwar reichlich Filmausstellungen gibt, aber meines Wissens keine, die den Raum in den Mittelpunkt stellen, das Kino als Gebäude.
Wie ist die Ausstellung aufgebaut?
Die Besucherinnen und Besucher werden gleich von einem riesigen Foto des Capitol-Kinos empfangen, das den Eindruck vermittelt: Ich gehe in ein Kino. Im Foyer wird die Geschichte über Projektionen sowie Filmplakate ausgestellt. Im Gässchen bauen wir ein Kino auf, dort laufen, digital und analog, Filme über alle Kinos, die es je in Bielefeld gab. Unser Ausstellungsansatz ist ein Blick hinter die Kulissen und auf die Technik des Kinos. Wie funktioniert Kino? Das ist auch für Laien verständlich aufbereitet. Insgesamt gibt es fünf Abteilungen. Neben den gerade erwähnten über „Technik des Kinos“ und „Kinos in Bielefeld“ widmet sich „Menschen im Kino“ den Mitarbeitern und Besitzern. Und den Stars, die Menschen ins Kino ziehen. „Murnau & Massolle“ fragt, welche Bedeutung die beiden in der Geschichte des Kinos haben. Insbesondere Massolle, der die technische Entwicklung entscheidend vorangetrieben hat, wird, so fi nde ich, zu Unrecht vernachlässigt. Es gibt zwar einerseits Filmmuseen und andererseits Technikmuseen, die sich auch der Filmtechnik widmen, aber sie werden nie zusammengebracht. Dabei ist ein Regisseur ohne Kamera nichts und andersherum gilt das genauso. Diese beiden berühmten Söhne der Stadt stehen für die Kunst und die Technik. Durch sie wurde Bielefeld eine Hauptstadt der Filmgeschichte. Und am Beispiel von Murnau und Massolle möchten wir die Verzahnung von Kunst und Technik im Kino darstellen. Der letzte Bereich widmet sich der Kulturgeschichte des Kinos und seiner Bedeutung für die Stadtgeschichte. Zum Ende der industriellen Revolution wurde der Film erfunden. So entstand ein Medium für die Massen. Auch Arbeiter und kleine Angestellte gingen ins „Filmtheater“. Das war damals tatsächlich wie ein Theater, mit großer Bühne und Vorhang.
Wie oft gehen Sie selbst im Kino?
Im Schnitt zwei, drei Mal im Monat. Das hängt natürlich auch davon ab, ob gerade viele interessante Filme anlaufen. Früher als Jugendliche sind wir auch schon mal um 11 Uhr morgens ins Kino gegangen und bis zur Spätvorstellung geblieben, so etwas Beklopptes fanden wir gut.
Hat das Kino eine Zukunft?
Kino hat sich immer gewandelt und angepasst. In den 50er Jahren glaubte man auch schon, die Leute würden sich nur noch vor die Glotze setzen. Aber dann kamen Erfindungen wie 3D, die doch lockten. Heute sehe ich das Kino eher als Raum der Begegnung, als besonderes Event, das man gemeinsam mit Freunden oder Familie erlebt. Der Kinobesuch ist eine soziale Aktivität, deshalb glaube ich, dass Kino trotz Netflix und Co. Bestand haben wird. Mit der Ausstellung möchten wir die Leute neugierig machen und auch dazu animieren, wieder ins Kino zu gehen.
Foto: Stiftung Tri-Ergon Filmwerk
Interview: Stefanie Gomoll