Über Bücher und die Kunst des Nichtstuns

Interview mit Dr. Katja Bartlakowski

Die Stadtbibliothek, die sie seit dem 1. Oktober letzten Jahres leitet, ist für Dr. Katja Bartlakowski ein schöner und besonderer Ort. Ein Ort für Literatur- und Kulturerlebnis, aber auch ein Mitmach-Ort, der Räume bereithält für Entdeckung, Experimentierfreude und Gemeinschaftserleben. Im Interview erzählt sie von ihrer Faszination für Bücher. Für sie sind sie viel mehr als eine bloße Quelle von Information und Wissen. Sie sind ein Geschenk; sie ermöglichen ihr Entspannung und Rückzug gleichermaßen.

SEIT WANN ÜBEN BÜCHER AUF SIE EINE GROSSE FASZINATION AUS?

Das fing früh an. Mit etwa sechs Jahren. Ich erinnere mich gut an das Kinderbuch „Mein Esel Benjamin“ von Hans Limmer. Eine wunderbare Geschichte. Ich habe damals Esel sehr gemocht. Bücher haben mich schon immer mit ihren Geschichten und Charakteren in andere Welten entführt, gleichzeitig waren sie und auch immer ein Lernweg. Was ich mit ihnen verbinde: wissbegierig und neugierig sein zu können. Letztlich liegt darin auch die Faszination.

IHR LIEBLINGSBUCH ALS KIND?

Der zweite Meilenstein, an den ich mich gut erinnern kann, war mit etwa neun Jahren das Buch „Der Sieger von Siena“ von Marguerite Henry. Damals habe ich viel von ihr gelesen, halt Pferdegeschichten. Aber auch die Bücher von Astrid Lindgren habe ich verschlungen. Das sind Geschichten von damals …

UND ALS ERWACHSENE?

Heute sind es eher Sachbücher wie etwa „Stark in stürmischen Zeiten“ von Bodo Janssen und Anselm Grün. Generell interessiert mich Literatur aus den Bereichen Führung, Psychologie und Kommunikation. Sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen ist auch Teil meiner beruflichen Arbeit. Ich mache Kulturmanagement und arbeite hier viel mit Menschen.

SIND SIE BEREITS ALS KIND MIT EINER STADTBIBLIOTHEK IN BERÜHRUNG GEKOMMEN?

Eher weniger. Ich bin in einem Kosmos groß geworden, in dem Lesen zum Alltag gehört, und hatte schon als Kind selbstverständlichen Zugang zu Literatur. Über Bücher wurden mir schon von klein auf Informationen und Wissen großzügig zuteil. Das ist für mich auch heute noch ein Geschenk, Entspannung und Rückzug. In einer leistungsorientierten Gesellschaft ist das Lesen eines guten Buches, ob Roman oder Sachbuch, immer ein Geschenk. Aber Stadtbibliothek ist für mich gerade in der heutigen Zeit spannend. Das Buch bleibt als Medium, doch heute geht es im Kontext von Stadtbibliothek vor allem um Teilhabe, wie beispielsweise der Genuss der Literaturtage oder des Lesefrühlings. Aber auch Mitmachen, Möglichkeiten und Räume eröffnen wie etwa beim Maker Space, darin liegt der Wert von Stadtbibliotheken heute. Und da ist Bielefeld einzigartig! Es gibt ein großes Engagement im Team, aber auch eine große Unterstützung durch unsere rund 150 Ehrenamtlichen. Mich reizt auch der soziale Aspekt von Kultur. Natürlich gehört die Liebe zum Buch dazu, es ist aber nicht mehr das alleinige Herzstück.

WIE SIEHT IHR RESÜMEE NACH DEN ERSTEN MONATEN ALS LEITERIN DER STADTBIBLIOTHEK AUS?

Es ist ein wundervoller kulturkreativer Ort, der vom hohen Engagement und von den mutigen wie kreativen Mitarbeitenden lebt. Leider war meine erste Zeit geprägt von Covid-19. Eine Kernfrage, mit der wir uns in diesem Kontext beschäftigt haben, ist die, wie wir wieder Veranstaltungen ermöglichen können. Unsere ersten Sorgen waren unbegründet, denn in uns allen ist der Wunsch tief verankert, wieder in Kontakt zu kommen. Der Raum hin zu einer relativen Normalität öffnete sich nach und nach wie von selbst. Gelernt habe ich daraus, dass sich Vertrauen in die Menschen und in die Organisation lohnt.

WIE HAT SICH IHR ARBEITSTAG DURCH COVID-19 VERÄNDERT?

Es gab mehr Meetings per Videokonferenz, die auch bei uns Einzug gehalten haben und ich habe mehr telefoniert. Sonst hat sich wenig verändert. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die im Homeoffice arbeiten.

WELCHE AUSWIRKUNGEN HAT DIE CORONA-PANDEMIE AUF DAS ANGEBOT DER STADTBIBLIOTHEK?

Wir haben stark in die „Onleihe“, also in die OnlineAusleihe unserer elektronischen Medien, investiert. Hier stehen E-Books, E-Papers, E-Audios, E-Videos und E-Learning-Tutorials rund um die Uhr zur Verfügung. Eine weitere Plattform und ein neues Produkt in unserem EMedien-Angebot ist darüber hinaus „OverDrive“. E-Books lassen sich auf einem E-Book-Reader lesen, wahlweise aber auch direkt im Webbrowser. Und wer einmal in einer anderen Sprache lesen möchte, findet hier auch englischsprachige Titel. Für die Fremdsprachenbildung haben wir alle Module von Rosetta Stone angeschafft, auch hier kann man sich digital austoben. Neben der Überlegung, welche Services wir digital anbieten, beschäftigen wir uns mit dem Thema Veranstaltungen und wie diese stattfi nden können. Aufgrund der einschränkten Besucherzahlen müssen wir beispielsweise durch Streamings neue Nutzungsräume schaffen. Die Digitalisierung ist ein unterstützender Faktor bei der Umsetzung, doch gleichzeitig werden soziale Räume wichtiger. Die Bedeutung des analogen Raums wächst. Das heißt nicht, dass wir die Online-Beratungsangebote zurückschrauben, aber wir merken, dass die Sehnsucht nach Begegnungen an Bedeutung gewinnt. Und eine Bibliothek lebt einfach vom haptischen Raum, von der Gemeinschaft und dem persönlichen Austausch. Ich glaube, dass der Nicht-Kontakt uns stresst. Darauf müssen wir schauen und Dinge ganzheitlich betrachten.

WAS MACHT SIE GLÜCKLICH? WORÜBER KÖNNEN SIE SICH ÄRGERN?

Was mich glücklich macht, ist in Verbindung zu sein mit der Natur, mit mir
und anderen Menschen. Ein spannendes Buch, Füße hoch und ein kühles Getränk oder einen Tee und sich in den Tag hinein zu verlieren. Menschliche Ignoranz ist dagegen ein Ärgerpunkt: wenn jemand nicht zuhört, andere Meinungen nicht stehen lässt und damit auch Andersdenkende nicht stehen lassen kann. Aber auch Menschen, die nur ihren eigenen Vorteil sehen und keinen Blick für die Gesellschaft haben, sind ein Reizthema für mich.

WAS IST IHRE LIEBSTE BESCHÄFTIGUNG?

Ich würde gern das Nichtstun lernen. Das finde ich sehr erstrebenswert, ist
aber nicht leicht. Denn Nichtstun, wirklich nichts tun, muss man immer
begründen … (lacht). Und da ich mit Feld, Wald und Wiese sehr naturnah
aufgewachsen bin, bin ich einfach sehr gerne im Wald. Allerdings schaue
ich zwischendurch auch gern einen guten Film und lege mir – da ich schon
seit Jahren ohne Fernseher lebe – eine Blu-ray ein.

DIE LITERATURTAGE STEHEN VOR DER TÜR. WAS ERWARTET DIE BIELEFELDERINNEN IN DIESEM JAHR?

Ich freue mich, dass die Literaturtage, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiern, überhaupt stattfinden. Es wird aber anders sein. Wir mussten bei der Planung umdenken und uns der aktuellen Situation anpassen. Daher planen wir philanthropische Veranstaltungen in gemütlicher Atmosphäre mit – wie immer – spannenden Lesungen bei einem Glas Wein oder Sekt. Natürlich sind auch wieder tolle Musiker dabei. Und da wir längst nicht so viele Interessierte begrüßen können wie sonst, werden wir die Veranstaltungen live streamen. Beginnen werden wir am 1. Oktober mit Denis Scheck, einem unserer prominentesten Literaturkritiker. Er wird uns in seiner charmanten Art Highlights der Weltliteratur präsentieren. Da ist ein unterhaltsamer Abend garantiert.

25. Literaturtage Bielefeld

Eine Art von Wahrheit

Mit neun Veranstaltungen lädt die Stadtbibliothek am Neumarkt vom 1. bis 30. Oktober unter der Überschrift „Eine Art von Wahrheit“ dazu ein, die Kunst des Erzählens im Rahmen der 25. Literaturtage Bielefeld zu genießen. Eröffnet werden die Literaturtage von Denis Scheck, dem wohl prominentesten Literaturkritiker hierzulande. Darüber hinaus sind Aris Fioretos (5.10.), Lutz Seiler (7.10.), Prof. Dr. Kai Kauffmann und Prof. Dr. Dieter Burdorf, die zum Gespräch über Paul Celan einladen (8.10.), Jackie Thomae (15.10.), Heinrich Steinfest (21.10.), Iris Wolff (27.10.), Anne Weber (29.10.) sowie Anna Katharina Hahn (30.10.) zu Gast in Bielefeld. Erstmals werden die Literaturpräsentationen auch gestreamt.

Fotos: Klaus Hansen, Andreas Hornoff

Interview: Corinna Bokermann

FRAUEN IN FÜHRUNG


NEUE POSITION, NEUE SPANNENDE AUFGABEN. WIR STELLEN DIE NEUEN FRAUEN IN FÜHRUNG VOR.

Bielefelder Kulturpreis 2023 FÜR SABINE FELDWIESER


EIN MAL IM JAHR WIRD SABINE FELDWIESERS KÜCHE ZUM AUSTRAGUNGSORT LEBHAFTER DISKUSSION, BEI DER ES UM LITERATUR GEHT.

Bücher machen Freu(n)de


ANDREAS BEAUGRAND SPIELEN KINDER HEUTE EIGENTLICH NOCH „STADT, LAND, FLUSS“? DAS BREITE SCHAFFENSFELD VON PROF. DR. ANDREAS BEAUGRAND ALS AUTOR UND HERAUSGEBER VON BÜCHERN LIESSE SICH ZWAR INHALTLICH EHER MIT…

LESELUST


Sie eint die Liebe zum Buch. Mit unterschiedlichen Lesungen wecken Bielefelder Kulturveranstalter*innen die Lust am Buch und an Literatur. Ob Einzelveranstaltung, kurze Reihe oder in Festivallänge – wir stellen die Menschen dahinter vor und verraten Ihnen, wo die Buchstaben im Kopf zu Bildern werden. Seite für Seite.