Agnetha Jaunich

Feedback Kollektiv

Ihre Leidenschaft fürs Theater hat sie durch Zufall entdeckt, die Liebe zum Tanz brachte sie schon mit fünf Jahren zum Ausdruck. Es ist ihr herzensding. Und so war Agnetha Jaunich, die Bielefeld zu ihrer Wahlheimat gemacht hat, als Tänzerin an verschiedenen nationalen und internationalen Produktionen beteiligt. Als Mitbegründerin des Feedback Kollektivs setzt sie mit Alina Tinnefeld und Florian Wessels als festen Kern des Kollektivs dagegen auf interdisziplinäre Performancekunst. Caretopulis Lab heißt die aktuelle Produktion.

Gehen Sie durch die Corona-Krise künstlerisch neue Wege?

Die Wege sind gar nicht viel anders, da wir uns schon vorher mit dem Einsatz von digitalen Möglichkeiten auf der Bühne beschäftigt haben! Doch natürlich mussten wir erst einmal eine Pause machen, da wir uns nicht treffen durften. Den Austausch mit den Menschen, die uns kennen, haben wir dann aber recht schnell über einen Aufruf bei Facebook gesucht und sie dazu aufgerufen, uns Fotos und Musikschnipsel zu schicken, aus denen wir kleine Performance-Videos gemacht haben. Und so ist jede Woche ein neuer „Performance-Schnipsel“ entstanden. Daraufhin erhielten wir einen Anruf vom Kunstverein, der uns fragte, ob wir für seine „Cabrio-Digital-Aktion“ eine digitale Performance entwickeln könnten. Das haben wir gemacht und über ein Webtool realisiert. Corona hat uns also weiter auf den Weg gebracht, indem wir uns mit der Frage beschäftigt haben, wie ein Austausch mit dem Publikum im Netz aussehen und funktionieren kann. Aber auch zu sehen, wo Grenzen gesetzt sind und der Live-Moment fehlt.

Hat sich daraus etwas entwickelt?

Ja, ein Arbeitsstipendium! Wir haben uns bei der Kulturstiftung des Bundes für ein Reload-Stipendien beworben. Es macht total Spaß, im Netzraum zu agieren. Allerdings haben wir schnell gemerkt, dass die in der Corona-Zeit genutzten Webtools für Meetings zwar funktionieren, natürlich aber nicht ideal für Performances sind. So ist die Idee entstanden, eine App entwickeln zu lassen, die auf Performances abgestimmt ist. „Feedback from a Distance“ lautet der Arbeitstitel der App. Als Arbeitsergebnis wunderbar, da wir in der Krise zu dem Schluss gekommen sind, nach vorne zu blicken und zu sehen, was funktioniert. Finanziell ist die Corona-Krise, weil auch unsere Gastspiele alle abgesagt wurden, natürlich anstrengend.

Wie verstehen Sie die Arbeit mit unterschiedlichen, auch digitalen Medien?

Videos, Projektionen, Klanginstallationen und Sound Scapes – Technik ist ein Teil unserer künstlerischen Identität. Dieser Ansatz ist für alle Projekte des Feedback Kollektivs ausschlaggebend, nicht nur für das aktuelle. Wir beschäftigen uns mit dieser Frage seit unserer Gründung. Unsere Fragestellung lautet: Wo können sich Technik und Menschen annähern, ohne sich lediglich zu bebildert. Und da hat uns Corona neue Wege gezeigt und Türen geöffnet. Eben auch die Möglichkeiten, digitale Räume anders zu nutzen. Für die Kunst sind digitale Tools eine interessante Schnittstelle. Und die Frage, warum man diese nicht auch im Bühnenraum einsetzt, beschäftigt mich auch als Tanzpädagogin unter anderem in der Arbeit mit Jugendlichen.

Das Feedback Kollektiv …

… steht für interdisziplinäre Performancekunst. Es setzt sich aus Künstler*innen aus den Bereichen Schauspiel, Tanz, Visual Arts und Performance zusammen. Das Feedback Kollektiv ist an aktuellen Themen unserer Gesellschaft interessiert. Insbesondere beschäftigt sich die Künstlergruppe mit der Verbindung von Mensch und neuer Technologie und den Einflüssen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft. Zum festen Kern des Feedback Kollektivs gehören die Tänzerin und PerformanceKünstlerin Agnetha Jaunich, die Schauspielerin Alina Tinnefeld und der Schauspieler Florian Wessels.

Trotz neuer Möglichekeiten: Fehlt Ihnen das Publikum?

Total! Denn das Schöne am Theater ist doch genau dieser Kontakt und Theater lebt einfach vom Publikum. Das ist so ähnlich, als ob man fragt: Was ist, wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand hört es! Deshalb sind unsere Bestrebungen sehr eigennützig. Digital zu performen ist schön, aber es ändert nichts daran, dass man in den leeren Raum hineinspricht. Die digitale Ebene ist eine Bereicherung, aber Menschen live im Raum zu begegnen, hat eine andere Qualität. Wir haben während des Bielefelder Parksommers erstmals und endlich wieder live gespielt. Das war toll, ein gegenseitiges Bedürfnis, schön fürs Publikum und für uns. Und ich glaube, dass es auch möglich ist, man muss nur flexibel bleiben – auch mit den Formaten.

Das heißt für das Feedback Kollektiv …

Alle unsere anderen Stücke haben wir immer vor großem Publikum gespielt. Die Begrenzung auf 30 ZuschauerInnen für die aktuelle Produktion stand schon vor Corona fest und ist dem Format des Stücks geschuldet. Es heißt caretopulis Lab und findet in einem sensorischen Raum statt. Aufgebaut ist es wie ein interaktives Rollenspiel, das wir mit Unterstützung der Technischen Hochschule OWL zusammen mit Jamie Lay entwickeln. Wir arbeiten ja auch sonst interdisziplinär. Schon allein im Feedback Kollektiv kommen wir – Alina Tinnefeld, Florian Wessels und ich – aus drei unterschiedlichen Bereichen und sind den Austausch gewohnt. Text, Tanz und Theater befruchten sich gegenseitig. Mit der Technik kommt – wie immer bei uns – ein vierter Spielpartner dazu. Auch hier geht es darum, wie man ineinandergreifen kann. Wir als KünstlerInnen sind bereit, neue Wege zu gehen. Die Politik muss jetzt mitziehen, gemeinsam neue Wege zu finden, damit KünstlerInnen auch künftig spielen können.

Die Proben für Caretopulis Lab laufen längst. Worum geht es?

Wir laden zu einem interaktiven (Video-)Brettspiel ein. Caretopulis Lab verwandelt den Bühnenraum in ein interaktives Spielfeld. Sensoren sammeln Daten, speisen den ewig hungrigen Algorithmus, steuern Licht und Klang. Drei Androiden preisen die Vorzüge des technologischen Fortschritts an, streiten über die Wichtigkeit der Humanoiden. Und inmitten dieser Technik, der Mensch. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir leben wollen. Seite an Seite mit einer Technologie, die schon weiß, was wir brauchen, wie es uns geht, noch bevor wir das selbst wissen?

Wie haben Sie sich als Tänzerin während Corona fit gehalten?

Ich habe fast jeden Tag trainiert. Zum Glück haben wir als Feedback Kollektiv einen Raum im Kulturhaus Ostblock neben dem Wiesenbad. Außerdem habe ich über Zoom, da ich als Tanzpädagogin auch am Staatstheater Kassel arbeiten, trainiert. Klar, man muss sich disziplinieren, aber ich werde eher hibbelig, wenn ich nicht tanzen kann. Auch, wenn ich zwischendurch faule Sofatage genieße, Tanzen ist mein Herzensding und meine Ausdrucksform. Ich habe mit fünf Jahren mit Jazz und Modern Dance begonnen, die Leidenschaft zum Theater hat sich über Umwege ihren Weg gebahnt, denn eigentlich wollte ich Veranstaltungstechnikerin werden. Während eines Praktikums für Licht- und Tontechnik am Klecks, dem Kinder- und Jugendtheater in Hannover, passierte es dann. Die Schauspielerin, die für „Oh, wie schön ist Panama“ dasMädchen spielte, war krank und mein Chef hat mich kurzerhand auf die Bühne gestellt. Da war klar: Das will ich machen! Und so führte mein Weg zur Hochschule für bildenden Künste Braunschweig, wo ich Performance und Kunst in Aktion studiert habe. Die eigene kreative Arbeit ist es, die heute meinen Beruf ausmacht. Die Möglichkeiten, die Bielefeld bietet, schätze ich.

Premiere: CARETOPULIS LAB 28.10.20, 20:00, Nr. z. Platz

Weitere Termine:

  • 29.10., 20:00 Uhr
  • 30.10., 21:00 Uhr
  • 1.11., 17:00 + 20:00 Uhr

Fotos: Agnetha Jaunich – Feedback Kollektiv, K-H Mierke

Interview: Corinna Bokermann

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