Große Erwartungen
FILM+MUSIKFEST
NACH DER CORONA-PAUSE IM LETZTEN JAHR GEHT DAS FESTIVAL MIT „GROSSEN ERWARTUNGEN“ AN DEN START. UNTER DIESEM MOTTO STEHT NÄMLICH DIE 31. AUSGABE. GROSSE ERWARTUNGEN DARF AUCH DAS PUBLIKUM HABEN, DENN ES KANN WIEDER STUMMFILMSCHÄTZE AUF GROSSER LEINWAND ENTDECKEN – BEGLEITET VON LIVE-MUSIK.
In Anlehnung an die Billy Wilder zugeschriebene Bemerkung über die Kunst der Regie: „Man beginne immer mit einer Explosion, und dann ganz langsam steigern!“ startet das Film+MusikFest der Friedrich Wilhelm Murnau-Gesellschaft mit der Welturaufführung einer neukomponierten Musik von Uwe Dierksen, Posaunist im renommierten Ensemble Modern, in Kooperation mit arte. In der dokumentarischneusachlichen Filmcollage des berühmten Filmtrios Siodmak-Ulmer-Wilder feiern junge „Menschen am Sonntag“ in der Metropole Berlin den einzigen freien Tag ihrer Angestelltenexistenz: poetisch und realistisch, witzig und anrührend zugleich.
Die Realität des Steckrübenwinters 1919 in Berlin trifft in „Madame Dubarry“ auf das elegante Rokoko eines märchenhaft imaginierten vorrevolutionären Zeitalters. Ernst Lubitsch zeigt den Aufstieg und Fall einer jungen Hutmacherin zur Mätresse des französischen Königs und mächtigsten Frau Frankreichs. „Die Stadt ohne Juden“ von K. H. Breslauer hingegen ist ein Titel, der uns heute das Blut in den Adern gefrieren lässt. 1924 gedreht, nach fast 100 Jahren wiederentdeckt und restauriert, nimmt der Film zum ersten Mal überhaupt das Thema Antisemitismus auf und setzt es in eine satirische Dystopie von unfassbarer Hellsichtigkeit über die Hetze gegen Juden um. Anders als in der Realität wenige Jahre später geht die Filmgeschichte jedoch besser aus. Der Massenhysterie folgt die Ernüchterung. Ohne Juden wird alles schlimmer in Utopia. Weiter geht’s mit dem „Kino für Kurze“, einem amüsanten Kurzfilmprogramm für die ganze Familie, gefolgt von „The Goose Woman“.
Der Film überzeugt durch sein Gespür für Atmosphäre, Spannung und Tragik, mit der das Schicksal einer Frau, deren Liebe ihr zum Verhängnis wird, bewegend und mit außerordentlicher visueller Kraft gezeigt wird. Große Erwartungen hat dagegen Peggy Pepper, als sie aus dem ländlichen Georgia nach Hollywood kommt, um Filmstar zu werden. „Show People“ ist eine brillante Satire auf Slapstick-Komödien der Stummfilmzeit, vage angelehnt an die Biografie der Filmgöttin Gloria Swanson. Ausgerechnet der schüchterne, liebesunerfahrene Schneider Harold Meadows (Harold Lloyd) will zum Abschluss des Film+MusikFests mit seinem Erstlingswerk „The Secret of Love“ die literarische Welt erobern – und nicht nur sie. Wie man eine ernsthafte Liebesgeschichte mit einer Slapstickkomödie verknüpft und überdies die wohl spektakulärste Hertzjagd der Filmgeschichte inszeniert, das zeigt Harold Lloyd in seinem unfassbar komischen Film „Girl Shey“.
Foto: Library Of Congress, Studiocanal
Text: Redaktion