DARK MATTER
THOMAS RUFF, JAMES WELLING
WIR NEHMEN UNSERE UMWELT SO WAHR, WIE WIR SIE SEHEN UND FÜHLEN ODER IN BILDERN UND WÖRTERN BESCHREIBEN UND VERSTEHEN KÖNNEN. DOCH RUND ACHTZIG PROZENT DES UNIVERSUMS BESTEHEN AUS EINEM UNSICHTBAREN STOFF, DEN WIR NICHT KENNEN: DUNKLE MATERIE. MIT DER AUSSTELLUNG „DARK MATTER. THOMAS RUFF, JAMES WELLING“ KOMMEN IN DER KUNSTHALLE ZWEI KÜNSTLER ZUSAMMEN, DIE VERDEUTLICHEN, DASS AUCH DAS FOTOGRAFISCHE BILD NICHT UNBEDINGT DAS IST, WAS ES VORGIBT ZU SEIN.
Thomas Ruff (1958) und James Welling (1951) interessieren sich für fotografische Bilder, die weit über die einfache Abbildfunktion hinausgehen. Mit ihrem konzeptuellen Zugang zur Fotografie erkunden beide Künstler die Bedingungen des Sehens, deren Verknüpfung mit der fotografischen Apparatur und unsere Konditionierung der Wahrnehmung der Welt durch fotografische Bilder. Während Thomas Ruff als ehemaliger Schüler von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Akademie von einem sachlich-objektivierenden und analytischen Ansatz geprägt ist, hat James Welling seinen Anfang an der CalArts Los Angeles gemacht, wo er sich mit Lehrern wie John Baldessari mit Video und Film im Feld des „Post Studio“, der Konzeptkunst und Institutionskritik bewegte. Erst nach dem Studium griff er autodidaktisch zur Kamera und entwickelte einen vielfältig hybriden fotografischen Zugang, der auch Aspekte der Malerei oder narrative Elemente beinhalten kann.
Ruff und Welling entstammen einer Künstlergeneration, die von der in den 70ern neu aufgekommenen Diskussion um die Mediengesellschaft und den Einfluss immer mehr zirkulierender Bilder auf die Massengesellschaft geprägt ist. Beide vereint ein wissenschaftlich forschender Umgang mit dem Medium der Fotografie, der weder technische noch ästhetische Grenzen kennt und den Status der zeitgenössischen Fotografie als Realitätsindex hinterfragt. Sie arbeiten analog und digital, in Farbe und Schwarz-Weiß, mit und ohne Kamera.
Das über die Abbildfunktion hinaus gesuchte fotografische Bild könnte der manifest gebauten Architektur nicht ferner liegen und doch, oder gerade deswegen, beschäftigen sich Ruff und Welling immer wieder mit der gebauten Realität in ihrer 8mgebung. Übrigens auch mit der Architektur der Bielefelder Kunsthalle, von der für die Ausstellung Bilder entstehen werden.
Ausgehend von den Werkserien, die sich explizit mit Stadtraum, anonymer und ikonischer Architektur beschäftigen, präsentiert die Kunsthalle keinen chronologischen Überblick beider Werke, sondern vielmehr eine thematische Gegenüberstellung der beiden Künstler und schlägt einen Bogen zwischen der Auseinandersetzung mit dem Fotogramm, der Frage nach Abstraktion und Autonomie des fotografischen Bildes, zwischen der Suche nach einem „visuellen Nichts“ Ruff oder „dem Bild, welches man nicht versteht und nicht erinnert und doch scharf und klar vor einem liegt“ (Welling). Ebenso tauchen in den oftmals distanziert oder objektivierend anmutenden Bildern autobiografische Referenzen auf. Sie kreisen um die Frage nach subjektiver und gesellschaftlicher Erinnerung, die mit dem fotografischen Bild verbunden ist.
www.kunsthalle-bielefeld.de
Text: Stefanie Gomoll