ACH, WIE SCHÖN!
DIE NEUE SPIELZEIT
DREI KLEINE BUCHSTABEN ERGEBEN EINEN VERBALEN ALLESKÖNNER. WERDEN ZUM MOTTO FÜR DIE THEATERSAISON 2023/24, DIE SICH MINDESTENS EBENSO VIELFÄLTIG PRÄSENTIERT WIE DAS WÖRTCHEN „ACH“.
„Ob klagend oder ironisch, leichtfüßig oder pathetisch, gehaucht oder gebrüllt – jede Anwandlung scheint ihm gut zu Gesicht zu stehen, und in beinahe jedem Kontext weiß es ein anderes, neues Quäntchen Subtext auszustrahlen“, so Nadja Loschky, die gemeinsam mit Michael Heicks die neue Doppelspitze (mehr dazu ab Seite 62) des Theater Bielefeld bildet. „Schmerz, Mitleid, Bedauern, Verwunderung, Staunen, Sarkasmus, Fassungslosigkeit, Unmut, Verlangen, Verstehen – in diesen drei Buchstaben steckt eine ganze Palette menschlichen Empfindens und damit ein großes Geheimnis, das viel mit dem Menschsein an sich zu tun hat“, fährt Michael
Heicks fort. „Etwas Ungesagtes wohnt in diesem Wort, etwas Unsagbares, und genau dieses Unsagbare wird auf der Bühne erfahrbar. Für uns stellt dieses ‚ach‘ in der kommenden Spielzeit die Frage: Wie wollen wir der Welt begegnen? Mit Klagen: ‚ach je!‘, mit Lakonie: ‚ach was‘, oder mit Staunen: ‚ach wie schön!‘“
Grund genug für all diese Anwandlungen bietet der Spielplan allemal. Beginnend mit dem Musiktheater, das zahlreiche starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt stellt. So etwa Lady Ganymere, weiblicher Gangsterboss im Musical „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ (Premiere: 3.9.23). Mit Georges Bizets „Carmen“ (30.9.23) folgt ein Repertoire-Klassiker, der unangefochten an der Spitze der populärsten Opern der Welt steht. Kein Wunder angesichts der emotionalen Kraft der selbstbewussten und freiheitsliebenden Titelfigur. Rossinis Meisterwerk „Der Barbier von Sevilla“ (26.11.23) zündet dagegen ein Feuerwerk an Komik und Koloraturen. Basierend auf dieser Oper entwickelt Regisseurin Nadja Loschky gemeinsam mit dem Komponisten Michael Wilhelmi erstmals eine FamilienoperUraufführung für das Stadttheater: „Doktor Bartolos Geheimnis oder In Sevilla sind die Mäuse los“ (23.12.23) ist ein turbulenter Spaß für Kinder und Erwachsene. Außerdem feiern u. a. Premiere: Arthur Honeggers ungewöhnliches Oratorium „Johanna auf dem Scheiterhaufen“, Leoš Janáčeks „Katja Kabanowa“ sowie die spartenübergreifende Produktion „Der Sandmann“ der britischen Singer-Songwriterin Anna Calvi
und des weltweit gefeierten Regisseurs Robert Wilson. „Es geht nicht nur um verschiedene Entstehungszeiten, sondern um verschiedene musikalische Farben. Da haben wir im Musiktheater die ganze Palette im Programm“, resümiert Generalmusikdirektor Alexander Kalajdzic TANZ Bielefeld steht mit Beginn der kommenden Spielzeit unter der künstlerischen Leitung von Felix Landerer (Porträt ab Seite 78). Der neue Chefchoreograf bringt eine expressive, moderne Bewegungssprache mit, die er dem Bielefelder Publikum in zwei eigenen Uraufführungen präsentieren wird: „Hotel Many Welcome“ (Premiere: 21.10.23) sowie „Acts of Resistance and Repair“ (19.1.24), eine Kooperation zwischen TANZ Bielefeld und seinem Ensemble Landerer & Company. Für die dritte Uraufführung der Saison konnte das Theater Bielefeld die angesagte serbisch-niederländische Filmemacherin und Choreografin Dunja Jocić gewinnen.
Im Schauspiel beginnt die Saison mit einem Stück „in bester Fantasy Manier“, so Schauspieldirektor Dariusch Yazdkhasti: „Die goldene Stadt“ (Premiere: 1.9.23.) von Markolf Naujoks. Carina Sophie Eberles Uraufführung „else (someone)“ (8.9.23), eine Adaption von Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“, ist dagegen eine Coming-of-Age-Geschichte zwischen aufgedrückten Geschlechterrollen und alltäglicher sexueller Belästigung. Mit Schillers „Kabale und Liebe“ (9.9.23) folgt für Dariusch Yazdkhasti „die größte Liebesgeschichte neben ‚Romeo und Julia‘“. Florian Zellers rasante Komödie „Eine Stunde Ruhe“ (28.10.23) lässt einen scheinbar harmlosen Alltagswunsch zum absoluten Chaos mutieren. Zur Weihnachtszeit serviert das Theater Michael Endes Kinderbuchklassiker „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ (4.11.23), der voll sprühendem Witz und verblüffender Aktualität steckt. Anne Jelena Schulte verwebt in der Uraufführung „Die Alleinunterhalterin“ (9.11.23) individuelle Lebensgeschichten von Bielefelder Alleinerziehenden zu einer Komödie mit Herz, Humor und Live-Musik. Außerdem feiern u. a. Premiere: Arno Geigers „Unter der Drachenwand“, Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ sowie Konrad Kästners „Apokalypse, bitte!“, bei dem sich das TAM in ein Prepper-Paradies verwandelt, in dem all unsere Ängste lustvoll ausagiert werden. Die Schauspiel-Saison endet mit „Die Optimistinnen“: Gün Tanks „Roman unserer Mütter“ füllt eine Leerstelle in der männlich geprägten Geschichte der sogenannten „Gastarbeiterinnen. Als Wiederaufnahmen sind u. a. „Stolz und Vorurteil (*oder so)“, der Janis Joplin-Abend „Cry Baby“ sowie Herman Melvilles „Moby Dick“ geplant.
Infos zum kompletten Programm unter www.theater-bielefeld.de
Text: Stefanie Gomoll
Foto: Josef Ruben