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DIE WELT DES SCHEINS
2. Oktober 2022 - 26. Februar 2023
Alexander Camaro
Der Maler Alexander Camaro (Breslau 1901–1992 Berlin) galt bis in die 1980er Jahre als einer der bedeutendsten Nachkriegskünstler Deutschlands. Der ausgebildete Hochseilartist, Ausdruckstänzer und Musiker, der bei Otto Mueller in Breslau studiert und die NS-Zeit als Ballettmeister und bei Fronttheatern überlebt hatte, malt nach Kriegsende den 19-teiligen Gemäldezyklus „Das hölzerne Theater“. Seine Verarbeitung der Bühnenerfahrungen in dunkeltonigen Leinwänden macht ihn 1948 schlagartig bekannt. Unter kärglichsten Lebensbedingungen erschafft er ein Welttheater, in dem seine Akteur:innen als programmatische Figurinen eines melancholiegesättigten Erinnerungstheaters auftreten. Obwohl der Zyklus auf Camaros konkrete Erlebnisse in den 1930er Jahren am Gothaer Theater zurückgeht, ist sein Blick doch universalistisch: Die Welt als Theater – die Welt als Schein. Während einige seiner Zeitgenossen die politische und Alltagsrealität bewusst ausblendeten, ist Camaros Werken bis 1960 eine gewisse „Räudigkeit“, wie er selbst sagt, eigen: sowohl in ihrer düsteren Farbpalette als auch in ihrer offenen Materialität. Nie thematisiert er seine Kriegserfahrungen direkt, doch erscheinen seine Werke von ihnen geradezu getränkt. Aus der Erinnerung an die Welt der Jahrmärkte, Schaubuden und Lunaparks, die er in seinen frühen Erwachsenenjahren als Bühnenartist erlebt, schöpft er zeitlebens seine Themen und Motive. Auch als er 1952 nach seiner Berufung als Professor an die Hochschule der bildenden Künste, in Kenntnis der aktuellen Kunstentwicklungen zunehmend abstrakter, informeller und sein Pinselduktus freier wird, bleibt der gegenstands- und erinnerungsbezogene Kern in seiner Malerei bestehen. Das Kunstforum Hermann Stenner präsentiert mit 100 Gemälden aus allen Schaffensperioden sowie 20 Papierarbeiten aus seinem größtenteils verlorenen Frühwerk die bisher umfangreichste Retrospektive des Malerstars der 1950er bis 1980er Jahre.